Von Jutta Jorzik-Oels
Kaum ein Thema berührt uns so sehr wie Beziehungen, kaum ein Thema ist so kompliziert und bereitet so viel Kopfzerbrechen.
In einer sich immer schneller wandelnden Gesellschaft, in der Individualismus immer höher bewertet wird und nur eins zählt: Ich, Ich, und Ich; ist es natürlicherweise schwer, eine Beziehung zu leben.
Denn eine Beziehung lebt vom Wir. Ohne, dass das Ich sich im Wir auflöst, dass die Individualität darin untergeht.
Das zu erreichen, ist sicherlich eine grosse Aufgabe in unserer Zeit.
Und dabei haben HSM, hochsensible Menschen, eine wichtige Aufgabe.
Was unterscheidet HSM von Normalsensiblen?
Hochsensibilität ist ein sehr breites Spektrum, jeder HSM ist genau so individuell wie NSM (Normal Sensible Menschen).
HSM sind neuronal anders vernetzt. Was Hochsensibilität ausmacht, ist:
Die Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken sind viel intensiver und ausgeprägter. Alles – das Gedachte, Gefühlte, Wahrgenommene, Erlebte wird anders verarbeitet: Alles wird miteinander verknüpft.
Hochsensible nehmen sehr viel stärker als Normalsensible die Gefühle, Gedanken, Energien anderer Menschen wahr. Durch diese besonderen Gaben empfinden die allermeisten HSM – wenn sie nicht als Kind schwer traumatisiert wurden, sehr stark die Freude, Liebe, Hoffnung; aber auch Leiden und physischen Schmerzen ihrer Mitmenschen mit. Ja, viele nehmen sogar das wahr, was tief verborgen im anderen liegt; beispielsweise alte und verdrängte Verletzungen, die demjenigen gar nicht bewusst sind.
Und vor allem:
Hochsensible binden sich tiefer
Was bedeutet all das für eine Liebesbeziehung?
Das bringt einige Stolpersteine mit, aber auch eine Menge Chancen.
Die größte Gefahr liegt sicherlich darin , dass der hochsensible Partner so sehr mit dem Anderen mitempfindet, dass er nicht nur seine eigenen Bedürfnisse gar nicht mehr wahrnimmt, sondern irgendwann auch seine eigenen Wünsche von denen des Partners gar nicht mehr unterscheiden kann. Ist der Partner warmherzig, liebevoll und sensibel, vielleicht selbst HS, kann solch eine Beziehung jahrelang wunderbar funktionieren. Tragischer ist es, wenn der HSM an einen Partner gerät, der beispielsweise narzisstisch gestört ist – leider haben aufgrund ihrer Empathie und ihres mitfühlenden Herzens gerade HSM die Neigung, Beziehungen zu gestörten Menschen einzugehen, da diese immer auch sehr bedürftig sind.
Eine wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielt auch
Das tiefe Bedürfnis des Hochsensiblen nach Nähe
Aber hat das nicht jeder?
Jeder sicher nicht, aber doch die meisten Menschen. Die Frage ist nur: Von was genau ist hier die Rede? Nach was für einer Art von Nähe sehne ich mich?
Nach Innigkeit. Seelischem Gleichklang. Nach tiefer, auch und vor allem seelisch-geistiger Intimität.
Was für eine Nähe ich nicht suche: Symbiose. Jede Beschäftigung, jede Minute miteinander zu teilen. Ständige physische Nähe, sich im selben Raum aufzuhalten, kann unter Umständen, muss aber nicht sein; für manch einen HSM ist es sogar eine abschreckende Vorstellung.
Nähe ist immer auch eine Frage der Definition. Genau wie Liebe, Offenheit, Ehrlichkeit…. So definieren HSM typischerweise viele Begriffe anders als NSM, was Raum bietet für viele Missverständnisse.
Aber wie so oft, liegen Gefahren und Chancen ganz dicht nebeneinander.
Der Hochsensible kann als Herzöffner dienen! – Und das meine ich hier in einem ganz umfassenden Sinn.
Liebe und Herz gehören zusammen.
Was heißt das eigentlich? Ja, das physische Herz schlägt schneller, wenn ich den Geliebten treffe. Liebeskummer ist ein physischer Schmerz in der Herzgegend.
Tatsächlich haben wir ein ätherisches Herz, ein Herzchakra, das – obwohl für die äußeren Augen unsichtbar – anders pulsiert und seine Farbe verändert, wenn man liebt. Und es gibt auch neuere neurowissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass unser Herz ein eigenes, vom Gehirn unabhängiges Nervensystem bildet!
Ich vermute, dass dieses Herzzentrum bei HSM genauso anders vernetzt ist wie das Gehirn. Ich vermute, die tieferen Bindungen; die emotionale und gedankliche Verknüpfung, das sich Verbunden-fühlen mit anderen Wesen, das so viele HSM so stark empfinden, hängt mit diesem Herzzentrum zusammen.
Wenn in einer Liebesbeziehung der Partner sich auf den HSM einlässt, so dass dieser sich öffnen kann, dann wird er sehr viel vom HS-Partner lernen können; auch sein Herz wird sich öffnen und erweitern; seine Wahrnehmungen werden im Laufe der Zeit ebenfalls an Fülle und Intensität zunehmen.
Aber auch der Hochsensible kann von einem normalsensiblen Partner etwas sehr Wertvolles lernen: Seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen, anzunehmen und ernst zu nehmen.
Und eine Beziehung zwischen zwei Hochsensiblen? Wäre das nicht das Ideal für den HSM?
Nicht unbedingt! Zumindest nach meiner Erfahrung ist eine Beziehung zwischen zwei HSM nicht einfacher als jede andere und auch keineswegs weniger Arbeit – dass eine Beziehung innere Arbeit an sich und am anderen erfordert, ist ja jedem bewusst.
Denn wir suchen eine Liebesbeziehung zwar aus dem Sehnen unseres Herzens; aber die eigentliche Aufgabe jeder Beziehung ist ja, daran zu wachsen.
Vor allem aber:
Eine Liebesbeziehung ist wie die Liebe selbst
Sie wärmt, sie macht froh, bringt unsere innere Sonne, unser Herz, zum Erstrahlen und macht die Welt ein wenig besser.
Hier geht es zu Juttas Blog: http://www.hauptsacheherzbewegt.de